Essen auf die wilde Art

Essen auf die wilde Art

Zurück zur Natur, back to the roots, powrót do korzeni. Das Konzept des Wildpflanzensalons “Art & Gattung” im Frankfurter Nordend ist ursprünglich. Es geht um Nachhaltigkeit, das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung, sich darauf zu besinnen, was die Natur uns schenkt und gut für uns ist. Um altes Wissen und um Ganzheitlichkeit. Um Jagen und Sammeln. Und um Pflanzen, Kräuter und deren Weiterverarbeitung.
Wir treffen die Gründerinnen Anna und Ilona, Tochter und Mutter, in den Räumlichkeiten des Wildpflanzensalons in der Frankfurter Egenolffstraße. Wir spüren sofort: die beiden haben ein harmonisches Verhältnis und sind ein eingespieltes Team. Die Ladenfläche ist offen gestaltet, ein großer Tisch lädt zum Verweilen und Kräutertee-Trinken ein, natürlich selbst gesammelt, auf den wir uns zum Interview gerne einladen lassen.

Fotos: Lucas Muth
Text: Clara Pallentien 

 
 

Hallo Anna, danke, dass wir zu Gast in eurem Wildpflanzensalon sein dürfen. Du betreibst “Art und Gattung” gemeinsam mit deiner Mutter Ilona seit Anfang 2022 im Frankfurter Nordend.

Wie kommt ihr zu der Idee, euch auf Wildpflanzen in Verbindung mit Food zu spezialisieren?  

Dies ist meinem zweiten Beruf zu verdanken. Als Fachberaterin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen wollte ich einen Ort schaffen, an dem ich den Städter über wildes Wissen aufkläre und ihm die Natur auf Augenhöhe näher bringe. Ich bin spezialisiert darauf, Essbares in der Natur zu finden, von Kräutern, Wildobst, Essbares von Sträuchern und Bäumen. Meine Mutter ist die beste mir bekannte Köchin und setzt das von mir Gesammelte in köstliche Gerichte um. 

Deine Mutter Ilona ist in Polen aufgewachsen. Was hat das für einen Einfluss auf euer Konzept? 

Kochtechniken und traditionelle Gerichte aus der Heimat fließen selbstverständlich in unsere Kreationen ein. Prägend für den ganzheitlichen Ansatz unseres Konzeptes waren die Großeltern meiner Mutter, mit denen sie in ihrer Kindheit viel Zeit verbrachte. Ihr wildes Wissen stammt einerseits aus deren großen Garten, aus dem sich die Familie selbst versorgte, andererseits von ihrem Großvater, der als Jäger schon immer einen Bezug zur Natur hatte. Der bewusste Umgang mit dem Lebensmittel und die Tatsache, dass für ein Stück Fleisch ein Tier sterben muss, waren damit schon von Kleinauf tief in ihr verankert. Sie wusste, dass Pilze aus dem Wald kommen und dass man, um Kirschen zu essen, diese erst vom Baum pflücken muss. Sie kennt den Geschmack eines frischen, noch warmen Eies und den des rohen Eigelbes, welches man im Hühnerstall aussaugt, direkt nachdem man es der Henne unter dem Federkleid heraus gestohlen hat. Dieses bewusste und entschleunigte Leben möchten wir auch heute wieder führen.  

Du bist Jägerin und Fachberaterin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen. Was war zuerst da, das Jagen von Tieren oder das Sammeln von Pflanzen?

Wir haben schon solange ich denken kann unser Fleisch von Jägern bezogen. Das ist ein wichtiger Anknüpfungspunkt gewesen. Die Expertise zu den Pflanzen war jedoch als erste da. Als ich die Ausbildung zur Fachberaterin abgeschlossen hatte und mein Partner ein wenig später eine Jagdausbildung anfangen wollte, habe ich mich einfach angeschlossen. Ich wollte auch das Grüne Abitur.  

 
 

Was inspiriert dich, neben deiner Liebe zur Natur, sonst noch?  

Ich habe Kommunikationsdesign studiert und diesen Beruf auch mit großer Freude ausgeübt. Ich liebe Ästhetik. Das Reduzierte. Weniger ist mehr. Architektonische Formsprache, gerade der Form-Follows-Function-Ansatz des Bauhaus Stils spricht mich immer wieder an und inspiriert mich.  

Ganzheitliche Konzepte wie der Wildpflanzensalon mit Trend in Richtung Selbstversorgung sind immer mehr am Kommen. Wo siehst du hier Chancen für die Zukunft?  

Ich hoffe, dass dies nicht nur ein Trend ist. Ohne esoterisch klingen zu wollen, aber wir müssen wieder eine Verbindung zu unserem Zyklus aufbauen, Und dies funktioniert am besten über den Kontakt zur Natur. Wir müssen Entschleunigen. Aus unserem Flucht- und Verteidigungsinstinkt haben wir eine Krankheit gemacht und uns in den Städten von der Natur isoliert. In den Park oder Wald gehen wir nur noch, als würden wir eine Ausstellung besuchen. Wir haben uns von unserem natürlichen Lebensraum so weit entfernt, dass die meisten von uns heute in der Natur nicht mehr überleben würden. Einigen Menschen wird dies wieder bewusst und ich hoffe, dass wir an genau dieser Stelle daran anknüpfen können und mit unserem Salon ein Stück Bewusstsein schaffen können, die Welt wieder Richtung eines artgerechten Lebens führen. 

Für mich ist das keine Arbeit. Ich mache endlich das, was mich wirklich interessiert und in meiner Natur liegt.
— Anna Weistand, Gründerin des Wildpflanzensalons

Was erwartet die Gäste eurer Workshops und Veranstaltungen wie dem Dinner in euren Räumlichkeiten?  

Grundsätzlich möchten wir unseren Gästen beibringen, was man aus den essbaren Wildpflanzen alles zaubern kann und dass es dafür keine Grenzen gibt. Bei unseren wilden Dinnern zeigen wir, mit welchen lokalen Alternativen man zu den exotischen Gewürzen in der Küche arbeiten kann. Die Workshops sind dafür gedacht, unseren Teilnehmern ein Stück mehr Freiheit mit dem wilden Wissen zu erlangen und somit weniger abhängig vom eintönigen Angebot der Supermärkte zu sein.  

 
 

Auf was dürfen wir uns im Jahr 2023 mit dem Wildpflanzensalon freuen?  

Auf das perfekte wilde Buch! Ein Kochbuch, welches nicht nur Rezepte, aber auch Pflanzenprofile vorstellt. Zudem arbeiten wir an unseren eigenen wilden Produkten und hoffen, dieses im kommenden Jahr auf den Markt bringen zu können. Und wir möchten unser Workshop-Angebot erweitern.

Hast du einen Lieblingsplatz in oder um Frankfurt, der für das Sammeln von Wildpflanzen besonders geeignet ist, und wie lautet dein Profi-Tipp für die anschließende Zubereitung?

Das Nordend. Wildpflanzen sprießen aus jeder Ritze, sie sind wahre Überlebenskünstler. Für einen schnellen Vitamin C Shot: Hagebutte ernten, das Mark herausdrücken und genießen. 

 
 

Im Wildpflanzensalon gibt es selbstproduzierte Kräuter-Produkte wie Essige, Öle, Gewürze und Marmeladen und eine Auswahl an Büchern sowie Hochprozentigem. Zudem bieten die Betreiberinnen Wilde Dinner, Workshops, Teambuildings, Pilz- und Pflanzenjagd im Bad Vilbeler Wald oder zwei Tage Yoga-Workshop in Kooperation mit Wilmar Nizza an. Aktuelle Termine auf der Website und auf Anfrage. 


Website | Instagram @wildpflanzensalon

Art & Gattung Wildpflanzensalon
Egenolffstraße 32
60316 Frankfurt

Öffnungszeiten Laden:
Do. – Sa. 14.00 - 18.00 Uhr