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die Seriale – 6th season will be a digital live event

Wie alle Festivals musste auch das Gießener Festival die Seriale abgesagt werden. Daher verzog sich das Festival für digitale Serien schnell und flexibel in ihr natürliches Habitat und findet in diesem Jahr komplett online statt. Welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen das mit sich bringt, hat uns Csongor Dobrotka, Gründer und Direktor des Festivals erzählt.

Digitale Serien ins Internet bringen – das klingt erst einmal naheliegend, machen es doch große Plattformen vor und verdienen genau damit ihr Geld. Vor einigen Jahren war das jedoch fast noch exotisch, die Qualität von Internet und Technik war bescheiden, ein Videodreh teuer. Das hat sich rasant geändert und damit auch das Genre der sogenannten Webserie. Ihr zu Ehren findet jährlich das Festival die Seriale in Gießen statt. Die Webserie, auch digital Series genannt, steht im Fokus der Seriale. Gute Nachrichten für die Branche gibt es von Csongor Dobrotka: Das Programm kann fast vollständig online zum geplanten Termin vom 03.–08. Juni 2020 stattfinden. Ursprünglich war die Seriale nicht als Festival konzipiert. Einige Filmemacher aus Deutschland wollten sich treffen um sich zu vernetzen und auszutauschen. Das war im Juni 2015. Doch schnell wurde absehbar, dass ihnen ein Austausch im kleinen Kreis nicht reichen wird, obwohl die Webserie damals kaum etabliert war. Es gab zu viel zu diskutieren, auszuprobieren und zu besprechen. Aus der Idee, eine kleine Screeningreihe zu planen, wurde ein Festival, auf dem über 20 Webserien präsentiert und diskutiert wurden. Bei ihrer Gründung hat die Seriale einen Schwerpunkt auf independent Produktionen aus Deutschland gelegt. Seit 2017 ist das Festival offen für internationale Einreichungen. Csongor Dobrotka erklärt, dass der Begriff der Webserie oft unbekannt ist. Geläufiger ist der Begriff Digital Series für das unabhängige und sehr oft mit nur geringem Budget produzierte Genre. Eine Webserie unterscheidet sich von einer normalen Serie vor allem über den Ausspielweg, also wie man die Serie sehen kann, denn sie wird explizit für das Web produziert und ist somit Flexibel in der Konzeption und Gestaltung. Digitale Serien ist ein besserer Begriff, so Dobrotka, denn er schließe auch alle digitalen Serien, die gestreamt werden können mit ein. Beiden gemein ist, dass sie oft sehr kurz sind, oft zwischen drei und fünfzehn Minuten. Aber auch dafür gibt es eigentlich keine Regeln des Genre. Das ist das freie und unkonventionelle, das Dobrovka und sein Team daran lieben. Webserien werden aber auch oft genutzt, so der Begründer der Seriale, um Konzepte auszuprobieren, die danach nochmal aufwendiger produziert werden.

So wird die Seriale in diesem Jahr nicht aussehen. Spannende Vorträge werden dennoch stattfinden: Als Onlineveranstaltung.
© Ralf Hofacker

Csongor Dobrotka kann auch schlüssig erklären, warum wir keine genaue Vorstellung von Inhalt und Form einer Webserie haben: Der Begriff ist nicht nur noch nicht einschlägig definiert, sondern ist auch im stetigen Wandel und momentan vor allem medientheoretisch relativ unkonkret. Genau das wollten Csongor Dobrotka und sein Team ändern. Wie jedes Jahr gibt es bei dem Festival auch eine wissenschaftliche Konferenz. Hier wird in diesem Jahr der Versuch gestartet den Begriff der Webserie zu definieren und ihn in der Wissenschaft bekannt zu machen. Dies war eigentlich im Rahmen einer internationalen Konferenz geplant, die in diesem Jahr ebenfalls online stattfinden wird. Csongor Dobrotka versucht die aktuellen Einschränkungen durch die Pandemie für das Festival positiv zu sehen. So könne man noch internationaler aufgestellt diskutieren, zum Beispiel mit Gästen, deren Anreise das Budget des Festivals überschritten hätten. Sie werden nun per Lifestream zusammengeschaltet. Prinzipiell war es für das Team keine große Herausforderung, die Veranstaltung nun ausschließlich digital abzuhalten. Natürlich fehle jetzt das Festivalfeeling, bedauert Dobrotka. Er und sein Team lassen sich aber viele digitale Alternativen einfallen. So wird es auch in diesem Jahr einen Red Carpet geben und auch die Preisverleihung wird stattfinden – nur eben digital und nicht wie sonst im Gießener Kino. Dazu sagt er: „Sich auf diese Entscheidung einzulassen war natürlich nicht einfach, denn das Festival hat einen großen Netzwerkcharakter. Das ist der Mehrwert des Festivals. Als es absehbar wurde, dass in diesem Jahr das Festival nicht stattfinden kann, war aber auch klar: wenn wir nicht digital gehen können, wer dann?“ Es können alle Serien, die im Rahmen des Festivals gezeigt werden, über die App Videmic gestreamt werden. Das Rahmenprogramm musste jedoch etwas angepasst werden, schließlich kommen die internationalen Gäste aus verschiedenen Zeitzonen. Es gibt einen Blog mit vielen Hintergrundinterviews und alle Livestreams sind zusätzlich auch über die Website der Seriale verfügbar. Die Webserien können während des Festivalzeitraums vom 03.–08. Juni 2020 abgerufen werden, inhaltliche Programmpunkte auch darüber hinaus. Auch spannende Debatten aus den letzten Jahren möchte das Seriale Team online verfügbar machen. 

Auch die Seriale muss dieses Jahr auf volle Kinos verzichten. Die Webserien können aber während des Festivals daheim gestreamt werden. © Ralf Hofacker

Für Kinos seien die Webserien übrigens keine Konkurrenz, so Dobrotka. Zwar zeigt die Seriale die Webserien während der Festivalzeit für gewöhnlich auf großer Leinwand, doch sie sind für die mobile Nutzung, also für Smartphone oder Tablet konzipiert. Dobrotka hofft, dass das Team und er trotz der angespannten Situation das Beste draus machen können und auf eine rege Nutzung des kostenlosen Festivalangebots. Aktuell sind über 50 Serien inklusive Piloten im Programm der Seriale. Damit das Festival in seiner gewohnten Größe reibungslos über die digitale Bühne gehen kann, arbeiten über 50 Leute im Team. 

© Christoforos Mechanezidis

Für den hessischen Tourismus sind die Folgen der aktuellen Beschränkungen im Zuge der Pandemie weiter kaum abzusehen. Die Seriale arbeitet seit Jahren daran, Filmemacher aus der ganzen Welt zu vernetzen und führt die internationalen Gäste gerne in Gießen und Umgebung herum. Das hatte schon oft zur Folge, dass die Gegend zum Drehort für Filme wurde. Auch dadurch wurde das Festival ein wichtiger Standort für Hessen – und für Webserien. Um der Branche und den Kolleginnen und Kollegen eine Unterstützung zu bieten, wurde eine Onlineplattform geschaffen: DIMA – digital market, ist der erste Markt für digitale Serien und Teil der Konferenz. Aufgrund der Krise wird die Plattform kostenfrei zugänglich sein und hilft der Vernetzung, Planung, Finanzierung und Umsetzung von Projekten. Das zentrale Thema der Seriale in diesem Jahr ist ganz klar die Digitalisierung des Marktes. 

Für uns alle bleibt die Hoffnung, dass wir vielleicht ausgerechnet in diesem Jahr, in dem wir so viel Abstand halten müssen, alle durch digitalen Content wie den der Seriale enger zusammenrücken können. 

www.die-seriale.de