Babbelst du noch oder schwätzt du schon?

Babbelst du noch oder schwätzt du schon?

Gleich vier Sprachregionen sind in Hessen daheim. Dabei sind sie nicht nur Folklore oder sprachliche Gebiete, sondern stehen für Kultur und Identifikation. Es ist jedoch spür-, bzw. hörbar, dass insbesondere jüngere Menschen immer weniger hessischen Dialekt sprechen. Im Rhein-Main-Teil der FAZ wird die Sorge geäußert, wir in Hessen könnten bald einen hessischen Einheitsbrei sprechen, die einzelnen Dialekte könnten aussterben. 

Ganz unbegründet scheint diese Sorge laut den von der FAZ zitierten Sprachwissenschaftlern nicht: Insbesondere das Osthessische und Nordhessische ist demnach besonders bedroht, im Süden und Mittelhessen wird sich, so die Sprachwissenschaftler das Frankfurter ‘Gebabbel’ durchsetzen. Das bedeutet, dass kleinere Mundarten deutlich abflachen und somit weniger oft vertreten sind. 

In Hessen sind vier große Dialekte zuhause: Das Nord-, Zentral-, Osthessische und das Rheinfränkische. Sie alle eint, dass sie im gleichen Bundesland beheimatet sind, dann hören die Gemeinsamkeiten meist schon wieder auf, denn kaum ein Südhesse wird das nordhessische Kasselänerisch verstehen. Mundart zu sprechen, galt lange Zeit als ungebildet. Schnell denkt man an Laientheater, Lokalpolitik oder diverse Asterix-Abenteuer. Doch Dialekte stehen für viele Menschen für ihre Kultur und sind identitätsstiftend. Dialekte im Allgemeinen galten lange als nicht als besonders trendy, bis im Laufe der letzten Jahre kultige Sprüche und das sogenannte “Medien-Hessisch” durch Fernsehserien zum Verkaufsschlager wurde. Warum auch nicht? Gerade im Süden Hessens ist man doch zurecht stolz auf identitätsstiftende Formeln wie “Ei Gude”. Genau diese breitet sich aus, so der Sprachforscher Lars Vorberger vom Deutschen Sprachatlas der Universität in Marburg gegenüber der dpa: Im Süden Hessens werde sich der Dialekt rund um Frankfurt durchsetzen und sich immer weiter Richtung Norden ausbreiten. 

Eine Besonderheit der hessischen Dialekte ist genau genommen ein Regiolekt, das sogenannte Neuhessisch, so der Sprachforscher Vorberger. Dieser findet sich vor allem in und um Frankfurt: Das Phänomen heißt auch Missingsch - die Vermischung aus Hochdeutsch mit einem regionalem Dialekt. Dabei wird vorwiegend die hochdeutsche Grammatik verwendet, die mit regionalen Begriffen gemischt wird. Den Regiolekt zu erlernen, scheint für viele Menschen einfach zu sein. Die Regionalität bleibe erhalten, jedoch werde der alte Dialekt kaum noch von jungen Leuten gesprochen, so der Sprachforscher. 

Wer Sorge hat, dass Dialekte, so wie man sie kennt verschwinden, der liegt also nicht falsch. Beruhigend kann dem aber entgegen gehalten werden: die großen Dialekte werden sich noch lange halten. Entwickeln, das werden sie sich zwangsläufig: Mundarten sind nicht mehr auf einzelne Dörfer begrenzt und größere Regionen sprechen die gleiche, verbindende Sprache, wir ziehen in andere Regionen, lernen Menschen aus anderen Regionen kennen, nehmen ihre sprachlichen Besonderheiten an und lassen vielleicht auch unseren Dialekt im Haus der Eltern. Dialekte in ihrer Vielfalt werden sicherlich weniger. Die Tatsache, dass sie sich wandeln bedeutet aber auch eine Öffnung der Gesellschaft in der wir uns überall zuhause fühlen können. Auch dem gefürchteten Verfall der Sprache kann entgegnet werden: je mehr Leute eine Sprache sprechen können, desto vielfältiger und lebendiger wird sie. Das gilt auch für Dialekte – egal ob von Hessen oder Eingeplackten.