PRIM – Die Tochter des Todes

PRIM – Die Tochter des Todes

In diesem Jahr sendet Hessen zum ersten Mal eine Delegation bestehend aus drei Indie-Games-Entwickler:innen zur Gamescom. Ihre Spiele haben die Jury überzeugt und wir stellen sie euch hier bei Feels like Hessen vor.   

Interview: Lucas Muth

Bilder: Noelle Schaub

PRIM ist ein handgezeichnetes 2D Point-and-Click-Adventure, in dem man in die Rolle der namensgebenden Tochter des Todes schlüpft, die gegen den Willen ihres strengen Vaters aus dem Reich der Toten entkommen muss, um zu einem Menschenjungen zu gelangen.

Schon als Kind war Jonas Fisch (37) aus Langen bei Frankfurt a.M. fasziniert von Point-and-Click Adventures wie „Monkey Island“. 2016 entwickelte der Gymnasiallehrer mit den Fächern Englisch, Ethik und Philosophie sein erstes eigenes Spiel, ein kurzes Freeware-Game namens „The Diary of a Roadie“, das im Rahmen eines Game-Jams entstand. In den darauffolgenden Jahren sollten zwei weitere kleine Spiele („Sidekick High“ und „door“) folgen. Schließlich gründete Jonas Common Colors im Jahr 2020 und startete mit PRIM sein erstes Full-Length-Projekt.

 
 

Wie bist du zur Spiele-Entwicklung gekommen?

Nachdem ich als Jugendlicher „Day of the Tentacle“ gespielt hatte, ist der Wunsch in mir gewachsen, sowas mal selbst zu machen. Ich hatte das aber schnell abgehackt, weil ich dachte, dass ich das sowieso nicht schaffe. Wie sollte es auch gehen? Ich konnte nicht programmieren, das erschien mir also unmöglich.

Erst viele Jahre später, 2016 um genau zu sein, habe ich gedacht: Jetzt bin ich erwachsen, habe ein bisschen Zeit und probiere das einfach mal aus. Ich bin dann relativ schnell auf eine Software namens „Visionaire Studio“ gestoßen. Das ist eine sogenannte „Engine“, mit der man sich Adventure-Spiele „zusammenklicken” kann ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben. Nach drei kurzen Spielen und tollem Feedback, habe ich mir dann gedacht: Jetzt wird es Zeit für ein richtiges Spiel! Ein Spiel, das vielleicht nicht eine halbe Stunde geht, sondern vielleicht acht. Dann habe ich überlegt, welche Geschichte mich über einen längeren Zeitraum wirklich begeistern kann und kam am Ende dann auf das Konzept mit der Tochter des Todes. Das war der Startschuss zu PRIM im Jahr 2018.

Lass’ uns nochmal einen Schritt zurückgehen. Du bist ja hauptberuflich Lehrer in den Fächern Englisch, Philosophie und Ethik. Wie konntest du deine Arbeit an PRIM mit deiner Tätigkeit als Lehrer unter einen Hut bringen?

Das geht mit meinem Lehreralltag nur, weil ich inzwischen mit einem kleinen Team an dem Spiel arbeite. Irgendjemand arbeitet immer an dem Projekt. Wir haben Alexander Leps, einen Programmierer, der von unserem Publisher und Co-Entwickler Application Systems Heidelberg kommt. Und die restlichen Mitwirkenden, die Künstler, die Animatoren, die Komponisten usw. sind Freelancer, die immer dann an PRIM arbeiten, wenn sie können. Wenn ich dann auf der Arbeit in der Schule viel zu tun habe und wenig am Spiel arbeiten kann, weiß ich, es geht dennoch voran.

Wie sieht deine Arbeit bei PRIM konkret aus?

Ich schreibe alle Texte und bin derjenige, der die Geschichte erzählt, die man erlebt und die Rätsel designt. Am meisten Zeit in Anspruch nimmt aber die Kommunikation innerhalb des Teams. Man muss den anderen seine Vision ja irgendwie klar machen. Wenn z.B. ein neuer Hintergrund gezeichnet werden soll, muss der ja mit den Rätseln, die ich designt habe, zusammenpassen.

Ich finde es aber schön, dass sich die Verantwortung inzwischen auf viele Schultern verteilt und ich mit Menschen zusammenarbeite, die das schon jahrelang machen und deren Urteil ich vertrauen kann.

Kannst du uns mehr zur Story des Spiels erzählen und was dich dazu inspiriert hat?

Die Spieler:innen schlüpfen in die Rolle von Prim, der Tochter des Todes und sie hat das große Ziel, aus dem Reich der Toten zu entkommen, um zu einem Menschenjungen zu kommen, doch ihr strenger Vater verbietet es. Das ist auch die Aufgabe in der Demo, die momentan auch auf Steam und itch.io frei spielbar ist, dass man aus Prims Zimmer entkommt, denn sie hat Hausarrest bekommen. Das ist natürlich nur der Startschuss für eine eigentlich viel größere Geschichte, aber mehr will ich jetzt noch nicht verraten.

 
 
 

“Was mich daran reizt, ist dieses ‚creepy but cute‘-Gefühl. Wir bilden eine Welt ab, vor der man sich gruselt, man fühlt sich aber auch in ihr wohl, mag die Figuren und kann mit ihnen mitfühlen.”

– Jonas über die Gestaltung von PRIM

 

Wie kamst du auf die Idee mit der Tochter des Todes?

Das ist eine lustige Geschichte. Ich habe irgendeine willkürliche Spotify-Playlist laufen lassen und dann kam der Song „Everybody Loves Somebody”. Als ich das gehört habe, dachte ich mir: “Wenn jeder jemanden hat, den er liebt, dann hat der Tod auch jemanden, den er liebt. Und wenn dieser jemand seine Tochter wäre, wie sähe deren Beziehung aus? Wie wäre es, wenn dein Papa der Tod wäre? Welche Konflikte würden deshalb enstehen? Wie ist es so, als Teenager im Reich der Toten zu leben?” Ich fand das total spannend. So kann man eine schöne Geschichte erzählen, die viel mit Familie, Erwachsenwerden und mit Eltern-Kind-Dynamik zu tun hat.

Außerdem wurde meine Tochter 2019 geboren und als die Idee zur Geschichte von PRIM „geboren” wurde, habe ich auch erfahren, dass ich Papa werde. Vielleicht wollte ich auch deshalb eine Geschichte über das Elternsein erzählen.

Das Thema, das du dir ausgesucht hast, lädt ja zu einem gewissen Look ein. Kam das vor allem durch den Illustrator, mit dem du zusammenarbeitest, oder hast du es dir von Anfang an schon so vorgestellt?

Ich fand Tim Burton schon immer toll, gerade die älteren Filme wie „Nightmare Before Christmas” oder „Beetlejuice”. Da war er visuell richtig stark und ziemlich einzigartig.

Durch die schwarz-weiß-Optik, die großen Augen der Charaktere und die kräftigen Kontraste werden Burton-Fans daher bei uns sofort „getriggert”, aber man merkt auch schnell, dass wir unsere eigene Version des Stils gefunden haben. Das machen unsere beiden Künstler:innen, Stefanie Kick und Lukasz Rusinek total super. Was mich daran reizt, ist dieses „creepy but cute”-Gefühl. Wir bilden eine Welt ab, vor der man sich gruselt, man fühlt sich aber auch in ihr wohl, mag die Figuren und kann mit ihnen mitfühlen.

Ihr habt ein ganz spezielles Sounddesign. Was kannst du uns über die Musik erzählen?

Wir arbeiten mit zwei Komponisten zusammen, mit Bryan Atkinson aus Amerika, der die Tracks für die Demo geschrieben, komponiert und ausgearbeitet hat. Für die Musik im Spiel haben wir eine ganz tolle deutsche Komponistin gefunden, Susanne Hardt.

Die Musik soll natürlich die gruselig-behagliche Stimmung untermalen und das tut sie auch mit orchestral-mysteriösen Klängen, aber auch mal mit lockeren, jazzigeren Nummern.

Das Allerschönste ist: Wir konnten einige Stücke live mit dem Filmorchester Babelsberg aufnehmen. Das war eines der schönsten Erlebnisse bisher in der Produktion.

Zusätzlich arbeitet seit einiger Zeit unser neuestes Teammitglied Tristan Berger an den Soundeffekten, die Lukasz‘ tolle Animationen nochmal lebendiger wirken lassen.

 

PRIM – Die Tochter des Todes

 
 

„Wenn jeder jemanden hat, den er liebt, dann hat der Tod auch jemanden, den er liebt. Und wenn dieser jemand seine Tochter wäre, wie sähe deren Beziehung aus? Wie wäre es, wenn dein Papa der Tod wäre?”

– Jonas über die Idee von PRIM

 

Ist die Musik auch in der Demo schon zu hören?

Nein, die Musik ist noch im Mix. Das heißt, ich habe bisher die finalen Aufnahmen noch nicht gehört, aber allein, was ich vor Ort in Potsdam gehört habe, hat mich schon absolut weggeblasen. Mit diesen rein digitalen MIDI-Instrumenten ist heute schon viel möglich. Aber das ganze vom Orchester gespielt zu hören, war unglaublich.

Von der Musik zur Audience: An wen richtet sich das Spiel hauptsächlich? Wer wird von Point-and-Click-Adventure-Spielen abgeholt?

Man muss sich bewusst sein, dass Point-and-Click-Adventure-Spiele keine Millionen-Seller sind. Es ist ein Nischen-Genre, aber eins mit einer sehr treuen, passionierten und gar nicht mal so kleinen Community. Aus kreativer Sicht ist mir das Wichtigste, dass unser Spiel Freude bereitet und die Spieler:innen unterhält. Letztendlich glaube ich, dass jeder, der sich mit dem Thema „Familie“ auf eine ungewöhnliche Weise auseinandersetzen möchte, eine spannende interaktive Geschichte erleben will oder sich für den morbiden Charme à la „Addams Family“ begeistert, Gefallen an PRIM finden kann.

Wie habt ihr die Entwicklung des Spiels finanziert?

Die Frage nach der Finanzierung kam relativ früh, als klar war, dass es ein großes Projekt wird. Wenn man jahrelang an so einem Spiel mit anderen Kreativen arbeitet, wollen und müssen die natürlich dafür bezahlt werden. Und deswegen haben wir im Jahr 2021 eine Crowdfunding-Kampagne über Kickstarter gestartet. Da haben dann über 2.000 Leute mitgemacht und wir haben dank der tollen Community knapp 70.000 € gesammelt. Zusätzlich dazu arbeiten wir, wie erwähnt, inzwischen mit einem Publisher zusammen und waren auch noch so glücklich, von einem Preisgeld des Deutschen Computerspielpreises für die Nominierung als „Bester Prototyp“ sowie von der Gamesförderung des Bundes zu profitieren.

Habt ihr schon Feedback zur Demo bekommen?

Ja, super viel. Als Game Designer muss man da auch sehr genau hinhören, denn oft sind Sachen, die einem selbst unglaublich klar erscheinen, für die Spieler:innen gar nicht so klar. Spiele-Entwicklung ist ein unglaublich iterativer Prozess. Das heißt man muss manche Dinge immer wieder überdenken oder neu machen.

Für Rückmeldungen dieser Art ist die Gamescom ja der perfekte Ort. Ihr wart ja im letzten Jahr schon dort, aber worauf freust du dich in diesem Jahr an der Hessen-Booth in der Indie-Arena am meisten? Und worauf können sich die Besucher:innen freuen, die zu euch an den Stand kommen?

Am spannendsten für die Besucher:innen auf der Gamescom, die sich für Spiele-Entwicklung interessieren, ist vermutlich der Blick hinter die Kulissen, wie lang so etwas beispielsweise dauert und was es überhaupt für Berufe in dem Bereich gibt. Letztes Jahr auf der Gamescom haben wir viele solcher Gespräche geführt mit Leuten, die einfach an der Entwicklung des Spiels interessiert waren und denen man ein bisschen den Prozess erklären konnte. Zusätzlich haben wir natürlich aber auch die Demo zum Ausprobieren dabei und auch einen brandneuen Gameplay-Teaser im Gepäck!

Wie soll es dann nach der Gamescom weitergehen?

Das Allerwichtigste ist, dass wir PRIM fertig machen. Wir sind jetzt noch mitten in der Entwicklung und wir sind nicht in jedem Bereich so weit, wie wir gerne sein wollen. Es liegen noch einige Arbeitsschritte vor uns, bevor wir zum Release kommen, aber das allerwichtigste für uns ist, dass das Endergebnis so gut wird wie nur möglich.

Worauf ich mich aber am meisten freue: Das Spiel wird voll vertont sein, das heißt, es wird eine deutsche und englische Sprachausgabe geben. Irgendwann wird deshalb der Punkt kommen, an dem wir Sprecher:innen casten und mit ihnen ihre Texte aufnehmen. Das wird aufregend! Dadurch erwachen die Figuren dann nochmal auf einer ganz anderen Ebene zum Leben.


Wenn ihr das Spiel auf Steam wishlisten möchtet: Hier entlang

Wenn ihr die kostenfreie Demo spielen wollt: Hier entlang

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Alle Infos zum Line-Up des Indie-Arena-Booth auf der Gamescom findet ihr hier