Von Frankfurtern in Barcelona

Von Frankfurtern in Barcelona

Frankfurt hat eine sonderbare Repräsentanz im Stadtbild Barcelonas: In gefühlt jeder zweiten unscheinbaren Ecke gibt es ein sogenanntes Frankfurt – einen Imbiss für die Wurst. Ein Besuch bei einem Typ Schnellrestaurant, das neben Kebab, Pizza und Burger still koexistiert und sein Dasein behauptet.

Text + Foto: Paul Kremershof

Ich muss gestehen, ganz geheuer waren mir die Würstchen nie. Man wusste nicht genau, was ihr Innerstes zusammenhält, außer wohl ein robustes Klischee über die Deutschen.

In Barcelona hat die Frankfurter es zu einer eigenen Gastrogattung gebracht. Es handelt sich dabei um eine kuriose Fusion von amerikanischem Hotdog und hessischer Tradition, oder was auch immer in Barcelona dafür gehalten werden mag.

Außerhalb Hessen sind die Wiener auch als Frankfurter bekannt. Eine gängige Version zur Namensgeschichte führt auf den Frankfurter Metzger Johann Georg Lahner zurück. Dieser brachte die Frankfurter Würstchenrezeptur im 19. Jahrhundert – einer Zeit, in der sich die Wurst großer Beliebtheit erfreute – nach Wien und mischte ihr etwas Rindfleisch bei. Im Gegensatz zu den Frankfurtern wurde bei den Wienerischen Metzgereien nicht mehr strikt nach Schwein und Rind getrennt. So wurde aus der Frankfurter ein Wiener, oder umgekehrt, je nachdem, wo man sich gerade befindet. Wie dem auch sein, das Frankfurter Würstchen wird auch heute noch nur mit Schweinefleisch zubereitet.

Mich packte schließlich der Hunger, eines dieser Lokale in Barcelona aufzusuchen und eine Frankfurter zu probieren. Der vergangene Samstag war wie gemacht dafür. Weil leicht angekratzt von letzter Nacht, kam Deftiges ohnehin in Frage, ja war erwünscht. Es nahm ein paar Anläufe in Anspruch, bevor das richtige Lokal gefunden war. Das Erste, düster und spelunkenartig, sah nicht danach aus, als ob hier gute Wurst verkauft werden würde. Das Zweite hieß Frankfurt Düsseldorf und wäre inhaltlich in Feels Like Hessen fehl am Platz gewesen. Aber ich musste nur ein kurzes Stück weiter laufen und fand eines, das meinen Vorstellung entsprach. Der Blick durch die großen Fensterscheiben deutete auf ein aufgeräumtes und einladendes Lokal hin. Die runden Tische waren mit dem klassischen Fastfood-Inventar bestückt: Senf, Ketchup und einem Serviettenspender. Hinter dem Tresen stand ein Mann in den Sechzigern mit weißer Schürze und einem Gesichtsausdruck, der das Erscheinen eines Gastes gleichmütig zur Kenntnis nimmt. Ich bestellte einen Milchkaffee und das Naheliegende: un Frankfurt. Der Wirt ging in eine Art Bratnische, holte ein Frankfurter aus einer Packung und legte sie auf die Bratplatte. Es begann leise zu zischen. Derweil überlegte ich, wie ich den Mann in eine Unterhaltung um die Wurst verwickeln könnte. Ich fürchtete, jeder Versuch zu einem fachlichen Gespräch müsse wie Hohn und Ironie verstanden werden. Er wird mich nicht ernst nehmen, dachte ich und nippte an meinem Kaffee. Schließlich brachte der Wirt mir eine Art Hot Dog ganz minimalistisch auf einem weißen Teller. Nicht übel, urteilte ich gedanklich nach dem ersten Bissen. Endlich kam mir eine Idee, die in ihrer Naivität den Wirt mit Sicherheit entwaffnen musste. Wissen Sie, begann ich, ich komme aus Frankfurt und esse hier diese Frankfurter... Er lächelte, na geht doch. ...Wie kommt es, dass es in ganz Barcelona diese Art von Restaurant gibt? Die Arme hinter dem Rücken verschränkt setzte er zur Antwort an. Es gab da dieses Lokal in den Siebzigern, sprach er, das sich Frankfurt nannte und sich auf diese Art der Wurst sozusagen spezialisiert hatte. Das Modell war erfolgreich und führte zu weiteren Restauranteröffnungen in der ganzen Stadt. Ich bin hier seit dreißig Jahren. Und die Menschen essen immer noch gern Frankfurter?, fragte ich. Ja, sagte er und pries des Weiteren die Qualität, erwähnte einen Fabrikanten in der Nähe Barcelonas und deutete mit der Hand auf die verschiedenen Sorten auf der Speisekarte. Viel mehr gab es dann eigentlich nicht mehr zu sagen; das Thema Wurst schien erschöpft.

Beim Zahlen sagte der Wirt mir noch, beinahe mit Bescheidenheit, in Frankfurt seien die Würste bestimmt noch leckerer. Ja, antworte ich, obwohl ich es eigentlich nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, doch schließlich müsse es ja so sein: die Pizza ist auch dort am besten, wo sie erfunden wurde. Plötzlich überfiel mich ein Bedauern, dass ich ihm als Gesandter aus Hessen keine fundierte Meinung über die Wurst anbieten konnte, hatte ich der Frankfurter doch nie die Beobachtung geschenkt, die sie vielleicht verdient gehabt hätte.