ISO 069: Raphaël Languillat

ISO 069: Raphaël Languillat

Für unsere analoge Fotostudie ISO 069 treffen wir Raphaël Languillat im Atelierhaus Wäscherei in Offenbach. Der aus Casablanca stammende Musiker, Performer und Kurator kombiniert in seiner Musik elektronische Elemente mit akustischen Instrumenten. Seine Sets legen einen besonderen Fokus auf den Zeitaspekt und zieht das Publikum in eine immersive Stimmung. Im Interview erzählt er uns, wie er die Musikszene in Frankfurt und Offenbach wahrnimmt und dass experimentelle Musik nicht immer weird sein muss.

Fotos: Wilhelm Rinke | @wilhelm.obj
Interview: Clara Glaus

Wenn man deine Musik hört, würde man erstmal sagen, klingt „experimentell“. Wie aber beschreibst du deine Musik?

Ich würde vermeiden, Klänge mit Worten einzugrenzen, aber wenn es um Identität und Stil geht, komponiere ich eine Musik, die starke, elektronische Merkmale hat. Ich mische dazu gerne akustische Instrumente. Stilistisch ist mein Genre eher Beat-arm oder beatlos. Sehr oft wird sie als „drone music with noise components“ bezeichnet, sprich, die Musik legt einen Fokus auf Texturen, Granularität und Materialität. Der Zeitaspekt spielt ebenso eine sehr wichtige Rolle. Das heißt nicht unbedingt, wie lange ein Set oder ein Stück dauert, sondern wie sich die Ereignisse in der Musik entwickeln. Mein Motto lautet „Sich Zeit lassen zum Erleben“.


Wie sieht deine Technik konkret aus?

Neben Praktikabilität, sowie Klang- und Verarbeitungsqualität, mag ich Lautsprecher und Subwoofer, die 'klar' und 'transparent' klingen, jedoch weniger 'Schaldruckpegel' – im Vergleich zu einem Soundsystem im Club – erzeugen. Die Marke Genelec aus Finnland ist dafür ein gutes Beispiel, das ich sowohl für das Studio als auch für Performances bevorzuge. Mein 4.1 Sound-System ist sehr mobil, leicht zu transportieren und extrem flexibel, um seinen eigenen Klangraum zu gestalten. Man sieht wie Architektur und Raum eine genauso entscheidende Rolle für die Kunst, wie etwa Klang, spielen.


Deine Musik hat eine immersive Ebene, wie kreierst du diesen Effekt?

Ich denke, dass es da drei Punkte gibt. Der erste ist kompositorisch und hat mit Orchestration und Räumlichkeit zu tun: In was für einen Raum befinden wir uns? Wie und wo ist das Publikum platziert? Der zweite ist rein technisch: Welche Lautsprecher sind benutzt und wie sind diese angeordnet? Der letzte Punkt betrifft den Kontext. Wie kann man u.a. mit Licht eine Stimmung kreieren? Die Begriffe Musik, Technik und Kunst sind drei Elemente bzw. Felder, die für mich eng zusammenstehen und dem Wort Kreativität miteinander verbunden sind.

 
 

Wie sieht dein Alltag aus?

Das Baby ist auf jeden Fall früh wach! (lacht.) Neben Care-Arbeit versuche ich regelmäßig im Atelier Wäscherei (einem Offenbacher Atelierhaus, Anm.d.Red.) zu arbeiten, wo ich mich auf meine unterschiedlichen musikalischen Projekte konzentrieren kann. Es ist mir wichtig, meine Identität als Vater und Künstler zu vereinen. Zum Alltag gehört auch, eine Menge E-Mails zu beantworten und menschliche Beziehungen und Vernetzung zu pflegen, was mir sehr wichtig ist. Ich versuche aber die Arbeit immer so früh wie möglich zu erledigen, damit ich den Kopf frei für Musik und Kunst habe.


Wo spielst du häufig?

Seit zwei Jahren probiere ich mehr und mehr meine Identität als Komponist zu ändern, und die Bühne, wieder zu erobern – die Elektronik ist dafür ein fantastisches Mittel. Mit dem modularen Synthesizer spiele ich dazu am liebsten im Publikumsbereich selbst: man braucht keine Monitoren und das Publikum kann direkt sehen, dass ich live mit meinen Händen arbeite und einen Einfluss auf dem Sound habe - eigentlich wie mit einem akustischen Instrument. Dieser Unterschied liegt mir am Herzen: ich arbeite analog und diese Information soll nicht verloren gehen.


Wie siehst du die Musikszene in Frankfurt heute so?

Frankfurt war einst ein Tempel des Techno aber er lag immer ein bisschen hinterher im Vergleich zu anderen Städten wie Köln oder Berlin. Aktuell gibt es trotzdem immer mehr Strukturen und Institutionen, die von einer jüngeren Generation betrieben werden und die etwas Neues und Anders bringen. Das finde ich sehr wertvoll und wichtig. Sehr gut ist auch, dass es politisch bestimmte Initiativen gibt, die auf das immer größere Engagement in der kulturellen Szene hinweisen. Das kündigt eine positive Entwicklung der Musikszene an, und dies, trotz der zukünftigen Budgetreduzierung im Bereich Musik.


Wo kann ich nächstes Wochenende experimentelle Musik hören?

Persönlich finde ich kleinere Veranstaltungen – also außerhalb der Clubszene – sehr spannend. Beim EOS AIR kann man z.B. experimentelle Sets und spannende Positionen erleben. Bei uns – in den Naxos Hallenkonzerten – probieren wir oft elektronische und/oder experimentelle Musik zu präsentieren aber mit anderen Genres organisch gemischt. „Experimentelle“ Musik bedeutet nicht unbedingt immer, dass es weird klingt, sondern vielmehr der Versuch, andere Perspektiven zu vermitteln, bestimmte Systeme zu dekonstruieren und die Grenze eines genres in Frage zu stellen.


Was steht bei dir als nächstes an?

Ich bin an vielen Fronten tätig. Im Oktober findet das Festival der Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik in der Seilerbahn statt, wo ich ein halbstündiges Stück spielen werde: es wird psychedelisch! Nächste Stationen sind Strasbourg, wo ich Ende Oktober eine Residenz für ein Tanzprojekt habe, Stuttgart, Essen, Zürich und Darmstadt. Ich freue mich sehr im Februar 2024 eine Masterclass über Sound-Synthesis in der Akademie für Tonkunst in Darmstadt zu geben. Aber oft kommen spontane Anfragen und das ist das Spannende an der Arbeit.

 
 

Kurzbiographie

Raphaël Languillat wurde 1989 in Casablanca in Marokko geboren. Er ist ein französischer Komponist, Performer und Kurator, der mit akustischen Instrumenten und modularen Synthesizern arbeitet. Er hat Deutsch-Französische Jura studiert, bevor er ein Studium an der Université & Conservatoire à Rayonnement Régional von Reims gemacht hat. Dann hat er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt studiert, wo er seinen Master in „Komposition“ abgeschlossen hat. Außerdem hat er als Gasthörer Seminare an der Kunsthochschule Mainz im Bereich Video und Fotografie besucht. Seit 2023 co-kuratiert er die Naxos Hallenkonzerte in Frankfurt.

 

Listen: soundcloud.com/rlanguillat
Follow: @raphael.languillat