LAUTE KLÄNGE, LEERER CLUB

LAUTE KLÄNGE, LEERER CLUB

Während des Lockdowns zog es die Musikproduzentin Anna Hjalmarsson in den Robert Johnson Club, um die Klangwelt der ruhenden Clubräume zu erkunden. Mit den dort entstandenen Aufnahmen kreierte sie Beats, die sie mit dem Sample Pack “Echos from the Club” herausbrachte. Aber wie klingt ein Club ohne Hintergrundgeräusche, dröhnende Bässe und laute Gespräche? Feels Like Hessen hat Anna Hjalmarsson ein paar Fragen gestellt.

Bild: Anna Hjalmarsson
Text: Selina Spieß

Das Robert Johnson ist für gewöhnlich Dein Zuhause. Wie war das für Dich, den sonst proppenvollen Club wie ausgestorben vorzufinden? 

Anna: Während dem Lockdown in einen geschlossenen Club zu gehen, ist erst mal irgendwie emotional – zumindest für jemanden wie mich, dem solche Orte wichtig sind: Ein Club ist ein zentraler und natürlicher Treffpunkt. Als der Lockdown eintrat, war ich erst mal ein bisschen ratlos – wo trifft man denn sonst neue und alte Freunde?

Wie kamst Du auf die Idee, die Klangwelt ruhender Clubräume zu erkunden? 

Anna: Ich glaube, ich wollte ein Sound-Projekt machen, bei dem es sich eher um den Prozess als um das Endprodukt dreht. Ich wollte herausfinden, wie sich ein leerer Raum anhören kann. Die Aufgabe war mir neu.

Welche Geräusche bleiben einem leereren Club eigentlich noch? 

Anna: Erst einmal herrscht vor allem Stille. Damit einen Klang entsteht, muss etwas getan werden: auf den Fußboden treten, etwas anklopfen, einen Sound mit der Anlage abspielen. Der Hall der dabei herauskommt ist in jedem Raum einzigartig, denn das Gebäude färbt alle Klänge, die darin generiert oder abgespielt werden. Allgemein kann ich den Hall vielleicht als „kahl“ beschreiben: Obwohl ein Clubraum ein Sound-Treatment besitzt, macht das Publikum sehr viel aus. Die Körper der Tänzer absorbieren und reflektieren den Sound und somit sind die Leute auf der Tanzfläche nicht nur das, was die Party, sondern auch die Klangfarbe eines geschlossenen Raumes ausmacht.

Als der Lockdown eintrat, war ich erst mal ein bisschen ratlos – wo trifft man denn sonst neue und alte Freunde?

Mit „Annawooh“ hast Du Dir als DJ und Produzentin einen Namen gemacht. Wie kam der Künstlername zustande?

Anna: Annawooh ist eine Art Solo-Band von mir. Als Annawooh habe ich experimentelle – man könnte vielleicht sagen poetische, und auf eine kindliche Art und Weise Musik gemacht. Mein letzter Auftritt als Annawooh fand Ende 2018 statt und seit 2019 bin ich nur als DJ aufgetreten, dann als Anna Hjalmarsson. Die Art Musik, die ich als Annawooh gemacht und veröffentlicht habe, habe ich erstmal zur Seite gelegt. Und um die Frage zu beantworten: Die Geschichte hinter Annawooh will ich nicht verraten, aber ich denke, bei dem Projekt handelt es sich viel um Identität und die Frage: Wer ist Anna?

 
 

Von der klassischen Klavierausbildung zu elektronischen Klangexperimenten: Wann wurde Dir bewusst, dass Du Deine eigene Musik produzieren möchtest?

Anna: Ich hatte im Alter von 6 bis 16 einmal in der Woche Klavierunterricht. Als ich als Teenager elektronische Bands wie Depeche Mode und Kraftwerk gehört habe, bekam ich Lust eigene Musik zu machen. Die Songs enthalten viele Klänge, die mich an das Klavierspielen erinnerten. Deswegen fühlte es sich nicht so entfernt an, mich in der Richtung mal auszuprobieren. Mich hat aber zunehmend elektronische Musik interessiert und irgendwann habe ich mich langsam getraut, ein Paar Experimente damit zu machen.

Kannst Du Dich noch an Deinen ersten richtigen Track erinnern? 

Anna: Ich würde sagen, dass der erste Track, mit dem ich zufrieden bin, „Fizziod“ ist. Es ist der erste Track meines Albums „Organismic Moment“ als Annawooh. Der Track ist als ein Jam zu Hause in meine Wohnzimmer in Frankfurt im Jahr 2013 entstanden. Der Track ist sehr einfach, er besteht nur aus einem Arpeggio und ein paar Tönen. Aber ich weiß noch, dass ich den Moment sehr genossen habe und die Musik sich im Prinzip selbst geschrieben hat.

Inwiefern hat der Musikunterricht die Art, wie du heute Musik machst, geprägt?

Anna: Ich sehe meine Kenntnisse, die ich dadurch gewonnen habe, vor allem als eine große Ressource, die mir sehr beim Musik machen hilft. Ich beherrsche das Klavierspielen nicht besonders gut, aber ein bisschen Ahnung von Basics wie Skalen und Akkorde zu haben, ist scho­n sehr hilfreich. In den Musikbereichen Experimental und Techno kann man sich aber komplett davon lösen, wenn man es möchte. Generell gesehen war Musik schon immer etwas Großes für mich, das ich nicht so eng definieren muss. Als Kind habe ich immer sehr unterschiedliche Arten von Musik gehört und bei uns zu Hause lagen alle möglichen Instrumente herum. Deswegen war es für mich immer irgendwie selbstverständlich, dass Musik alles Mögliche sein kann.

 

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Background

Die schwedische Produzentin Anna Hjalmarsson experimentiert seit mehr als einem Jahrzehnt mit Musik, die melodische und rhythmische Elemente von Techno und Electro vereint. Neben ihrer Doktorarbeit in evolutionärer Insektenbiologie gründete sie in 2017 zusammen mit Kristina Sundin das Musiklabel “Stoscha”. Mittlerweile hat die schwedische Musikproduzentin im Robert Johnson Club in Offenbach ihr Zuhause gefunden und sich als DJ einen guten Ruf erarbeitet.