Im Fokus: Charlotte Bösling

Im Fokus: Charlotte Bösling

Charlotte Bösling ist Fotografin, Videografin und Medienwissenschaftlerin – mit einem besonderen Blick für Bewegung. Ob auf der Bühne, im Film oder im Bild: Sie interessiert sich für das, was kippt, fällt oder sich verwandelt. In Marburg und Frankfurt arbeitet sie an der Schnittstelle von Kunst und Theorie – früher als Mit-Leiterin des Theater neben dem Turm, heute als Doktorandin an der Goethe-Universität. Ihr aktuelles Forschungsthema: Kletter- und Expeditionsfilme und die Frage, was passiert, wenn der Halt verloren geht.

Datum: 04.06.2025
Text und Redaktion: Joscha Wilhelm

 
 

Wie bist du zur Fotografie gekommen – und warum hat sich der Fokus auf Klettern entwickelt?

Ich bin seit meiner Kindheit mit der Kamera meines Vaters unterwegs und habe mir als ich Anfang 20 war eine eigene Kamera gekauft, mit der ich viel gefilmt und fotografiert habe. Zunächst waren es hauptsächlich Konzerte, die ich in meiner WG Küche mit einem Freund veranstaltet und gefilmt habe, später kam Theaterfotografie dazu und nebenher hat sich mein Fokus auf Bewegung und das Festhalten von Bewegung in Fotografien entwickelt. Da ich gern und viel Zeit beim Klettern und Bouldern verbracht habe, kam es ganz natürlich zusammen, dass ich diese Bewegungsform besonders spannend fand und deshalb gern fotografiere. Besonders gern mache ich das draußen am Fels, aber auch in Boulderhallen bin ich immer gern, z.B. bei Spaßwettkämpfen, unterwegs.

 

Level 8 Boulderhalle, Gießen

 
Bei der Kletterfotografie sehe ich ganz besondere Choreographien an der Wand - es handelt sich quasi um einen Tanz in der Vertikalen.
— Quellenangabe
 

Norwegen-Eidfjord

 
 

From A(ida) to Z(ero), Theater von Matter of facts studio auf Kampnagel, Hamburg

 

Was fasziniert dich an Kletterfotografie? Was lässt sich in diesen Momenten einfangen, was man sonst vielleicht übersieht?

Bei der Kletterfotografie sehe ich ganz besondere Choreographien an der Wand - es handelt sich quasi um einen Tanz in der Vertikalen. Ich liebe es, Bewegungen zu antizipieren und zu versuchen, Momente vorauszusehen, die besonders toll aussehen können. Das kann ein dynamischer Zug sein, bei dem die Beine der kletternden Person weg von der Wand schwingen und sie sich nur mit den Händen oder gar einer Hand festhält; es kann aber auch ein besonderer Gesichtsausdruck sein, der zeigt, wie sehr die kletternde Person sich anstrengt. Auch Licht und Architektur oder die Umgebung, wie die Natur, die Struktur der Felsen, spielen eine große Rolle in der Bildgestaltung. Ich liebe es auch immer wieder zu merken, was gut funktioniert und wie hart man teilweise für ein gutes Foto arbeiten muss. Von hinten auf den Kletterkörper zu fotografieren sieht zum Beispiel häufig sehr langweilig aus - wir erkennen weder Wandstrukturen, Steilheit der Wand oder Gesichtsausdruck der Person. Da bewege ich mich selber auch ganz schön viel, um ein möglichst gutes Foto zu schießen. Wenn ich das ganze noch draußen machen kann, verbringe ich dabei auch noch Zeit an wunderschönen Orten, an denen die Felsen und die umgebende Natur genauso wie die Kletternden zu Protagonist*innen meiner Bilder werden.

Du lebst in Marburg , was macht die Stadt für dich besonders, vielleicht auch aus fotografischer Sicht?

Marburg hat für mich eine tolle Größe - ich lebe nicht gern in Großstädten und liebe es, so schnell in der Natur zu sein. Ich gehe von zuhause aus zehn Minuten und bin bereits im Wald. Außerdem hat Marburg diese idyllische Oberstadt - manchmal laufe ich dort einfach gern herum und freue mich, dass alles so schief, klein und ein bisschen märchenhaft ist. Das ist natürlich auch immer toll zu fotografieren, wobei ich das seltener mache als die Kletterfotografie.

 

Blick auf das Marburger Schloss und die Oberstadt

 

Wenn du Marburg in einem einzigen Bild festhalten müsstest: Was wäre darauf zu sehen?

Ich finde den Blick vom Spiegelslustturm auf die Stadt sehr schön: Man sieht das Schloss und die Stadt unter einem liegen, während man im Wald auf den Lahnbergen steht und sieht, wie grün die Hügel sind, die Marburg umzingeln. Marburg ist sehr vielfältig, und ich glaube das kann man in diesem – vielleicht recht klassischen – Bild sehr gut sehen.

Du schreibst deine Dissertation über die visuelle Darstellung des Themas Klettern. Wie beeinflusst deine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Klettern deine Arbeit als Fotografin?

Für meine Dissertation beschäftige ich mich mich Kletterfilmen, also eher Bewegtbildern von Klettern und vor allem vom Fallen. Für mich ist das Fallen integraler Bestandteil des Kletterns, bereits in Momenten, in denen Reibung genutzt wird, um die Schuhe in der Wand zu stabilisieren, spielt die kletternde Person eigentlich mit der dauerhaften abwärtsgerichteten Bewegung, die dem häufig aufsteigenden Klettern entgegengesetzt zu sein scheint. Ich finde gerade die Momente, in denen Personen fallen, besonders spannend, denn dieses Fallen gehört zum Prozess des Kletterns dazu. Häufig falle ich mehr, als dass ich Routen oder Boulder aussteige - und das ist toll! Es sind genau diese Momente, die das Klettern zum Spiel in der Vertikalen werden lassen und einen großen Reiz ausmachen.

 

© Lizzy Geble

Charlotte Bösling

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Instagram: @charlotte_boesling